Sea-museum Ostsee(D)

Architektur Machné und Durig Architekten: Arch.DI Marianne Durig+Arch.DI Hans-Peter Machné
Planungsbeginn Mai 2002
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Eigenwilligkeit und Selbstbewusstsein materialisieren sich in Stralsund in einer sehr reichen historischen Bausubstanz , in der sich die Geschichte der Stadt und Ihrer Menschen zu spiegeln scheint. Der vorliegende Entwurf trägt dem Anspruch des Gebäudes, für eines der bedeutendsten Meeresmuseen im gesamten Ostseeraum rechnung. Der Vorschlag führt eine städtebauliche Tradition Stralsunds weiter , welche neben der Insellage der Stadt, einer der faszinierernsten Aspekte der Stadtgestalt dieser Hansestadt ausmacht. Städtebauliche Situation - „Atraktor“ Schon das Grundrissbild der Stadt und mancher Großbauten offenbart die Einzigartigkeit der Stadtanlage“ 1 Inmitten einer kleinteiligen, historisch gewachsenen Bebauung stehen - beinahe willkürlich verteilt - Großbauten die scheinbar den Maßstab der Umgebung sprengen. Bei genauerer Analyse jedoch bilden diese „gewaltigen Backsteinkathedralen“ 2 ein übergeordnetes Netz von „Atraktoren“ im Stadtgrundriss. Diese dezentralen Anziehungspunkte bilden jenseits jedes Raster- oder Achsenkonzeptes ein städtebauliches Orientierungssystem, das in dieser verdichteten Form wohl einzigartig ist. Jeder dieser großen Solitärbauten „identifiziert“, auf seine eigene Art und Weise, das unmittelbare Umfeld, in dem es steht. Indem den Gebäuden immer noch ein öffentlicher Platz zugeordnet ist, besteht dieses Netz aus „Atraktoren“ nicht nur aus Kubaturen, sondern auch aus Treffpunkten des öffentlichen Lebens. In dieses faszinierende städtebauliche Konzept , von „Atraktoren“ , die in ihrer Architektur ihrer Zeit und Ihrer Funktion entsprechen, gliedert sich der vorliegende Entwurf für das Deutsche Meeresmuseum ein. Haus- Landschaft Konzept: Das Gebäude tritt als großer Solitärbau zwischen den historischen Speicherbauten am Quartier 66 in Erscheinung. Die Hauptkubatur, das „Aquarium“, wird vom Boden abgehoben und ermöglicht so eine Durchlässigkeit von Besucherströmen und Aussichten Richtung Stadt und hinaus aufs Meer. Unter dem „Aquarium“ wird eine „Landschaft“ eingefügt, die vom Westen her Zugänge und Anlieferungen ermöglicht. Im Osten wird sie durch eine repräsentative Treppe, die scheinbar ins Meer führt, erschlossen. Diese „Landschaft“ bildet eine Art Hügel, unter dem die ganzen Technik untergebracht ist. Damit wird eine neue „Stadtebene“ eingeführt, die von Besuchern und Einheimischen, frei von technischer Infrastruktur, genutzt werden kann. Ein neuer öffentlicher Platz entsteht. Die Osttreppe lädt zum Verweilen ein. Die Erhöhung des Niveaus auf +5 m ermöglicht eine ungehinderte Aussicht vom Foyer auf den Sund. Durch die Drehung des Baukörpers entsteht eine einladende, räumliche Situation im Norden. Der neue Baukörper, die Speicherbauten und die Bebauung im Norden bilden die Raumkanten dieses Platzes. Im Süden reagiert der Baukörper auf die Kronlastadie , und weist den Blick Richtung Ostsee. Durch die West – Ost Orientierung entsteht keine Barriere zum Sund, die Verbindung vom Meer zur Stadt bleibt bestehen. Organisation – Ablauf Besucherstrom Das Gebäude wird entweder von der Treppe im Osten, oder über die Landschaft im Norden oder Süden erschlossen. Vom Foyer aus ist der Einführungssaal im nördlichen Speicher erreichbar. In der Mitte das Foyers, das die Lücke zwischen den historischen Gebäuden schließt, ragt der „Bauch“ des Hauptgebäudes („Aquarium“) hinein . Das „Aquarium“ wird mittels Liften von der obersten Ebene her begangen. Die Lifte führen vorbei an der „Kampfszene“ zwischen Pottwal und Riesenkalmar. Über mehrere Plattformen wandert der Besucher in der Ausstellung Weltmeer von der Oberfläche in die Tiefe, um über den Ausstellungsbereich Ostsee mittels einer Rampe wieder vorbei an der Kampfszene in den Aquariumsbereich Ostsee zu gelangen. Der Besucherbereich dort reagiert mit unterschiedlichen räumlichen Qualitäten auf die einzelnen Becken. Kreisaquarien Kleinaquarien Eingebaute Aquarien Über den Vogelbereich des Helgolandbeckens gelangt man über eine Rampe vorbei am Aquarium in den Bereich Nordsee. Das Schwarmfisch-Labyrinthaquarium beendet den „Tauchgang“ des Besuchers wiederum bei der Kampfszene zwischen Pottwal und Riesenkalmar . Von dort aus kann der Besucher direkt ins Cafe oder über den, im Dornröschenspeicher untergebrachten, Ausstellungsbereich „Nutzung und Erforschung des Meeres“ (mit Forschungsturm und U-Boot) nach unten ins EG. Eine Rampe führt vorbei am Mehrzwecksaal unter dem Foyer über die Robbenanlage ebenfalls ins Cafe. Das Foyer kann vom Cafe aus über den Museumsshop erreicht werden. Interne Wege Die gesamte Wartung der Aquarien erfolg über Zwischengeschosse bzw. seitliche Wärtergänge über den Aquarien. Interne Zugänge sind über die Haupttreppenhäuser möglich. Die gesamte Wasseraufbereitung, Filterung, etc. befindet sich zentral im EG unter der „Landschaft“. Sämtliche Steigleitungen werden in den Stiegenhaustürmen untergebracht. Die Verwaltung wird im bestehenden Gebäude im Süden untergebracht. Einbindung der Bestandsbauten Die Speichergebäude im Norden werden im Inneren als Ausstellungsbereiche genutzt. Die Stahlstruktur im Dornröschenspeicher wird großteils erhalten, um die großen Ausstellungsstücke werden Auswechslungen hergestellt. Historisch gesehen war die Innere Funktion immer schon entkoppelt von der äußeren, repräsentativen Hülle. Die historischen Fassaden werden renoviert. Das Innenleben durch großzügige Glasöffnungen lediglich an der nicht wertvollen Westseite nach außen sichtbar. Statisches Konzept Anstatt einer aufwendigen herkömmlichen Pfahlgründung mit Hunderten von Pfählen werden 3 große Betonkerne in Form von Rohren mit Durchmessern bis zu 14 m bis auf tragfähigen Boden gegründet. Sie tragen die gesamte Konstruktion . Die Geschossebenen aus kreuzweise vorgespanntem, hochwertigem Beton (EG / 1.OG / 2.OG / 3. OG ) tragen die horizontalen Lasten über die Kerne ab. Die gesamte Konstruktion wirkt als eine 3-beinige Tischkonstruktion. Die vertikalen Lasten der oberen Geschossebenen (4. und 5. OG) werden über diesen Tisch abgetragen. Die horizontalen Lasten in die vertikalen Tragelemente eingeleitet und über Biegung abgetragen. Die Betonkerne nehmen Stiegenhäuser, Lifte und sämtliche Ver- und Entsorgungsleitungen auf. Überhöhte Verformungsdiagramme Fassade Die Fassade wird über ein räumlich aufgelöstes Fachwerk (Stahl oder Kunststoff) getragen, welches sich auf die Geschossebenen abstützt und die gesamte Konstruktion zusätzlich aussteift. Die Fassade selbst besteht aus wärmegedämmten Alu - Sandwichpaneelen, die zum Teil mit Solarzellen beschichtet werden um die Sonnenenergie zu nutzen. Damit wird eine je nach Standpunkt und Lichteinfall in verschiedenen Farben schillernde Oberfläche erreicht. Verglasungen werden nur an der Ostseite (Kampfszene) und an genau für den Innenbereich notwendigen Stellen vorgesehen. Diese Öffnungen bilden „Fenster zur Stadt“ und für die vom Sund ankommenden Schiffe, ein Panorama der Kampfszene. Der Sonnen- und Lichtschutz besteht aus Lammellen, die zwischen den Isolierglasscheiben liegen. (Industriestandard ) Schluss Das vorliegende Projekt versucht so, aus den historischen Gegebenheiten gepaart mit neuester Bautechnologie und hoher expressiver Durchgestaltung, einen Beitrag zur Zukunft Stralsunds zu leisten. Durch den Mut zur Größe und dem Bekenntnis zur zeitgemäßen Architektur sollte das deutsche Meeresmuseum eines der neuen Denkmale der Hansestadt an der Ostsee werden.