Dolomitenbad Lienz

Architektur Machné&Glanzl Architekten ZT GmbH
Addresse 9900 Lienz, Tyrol, Austria
Statik Bodner Arnold, Lienz
HLS-Planung Alpsolar, Innsbruck
Elektroplanung Rendl , Kitzbühel
Akkustik Quiring Consultants, Innsbruck-Aldrans
Planungsbeginn Jänner 2013
Bauherr Stadt Lienz
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Wellnessgedanke:

Die Sauna ist ein Nacktbadebereich. Betrachtet man historische (römische, griechische, …) Nacktbadebereiche fällt auf, dass dies sehr großzügige und klare Räume waren. Dies deshalb, um „halböffentliche“ Räume zu erzeugen, in denen das Nacktsein mit fremden Menschen seine Intimität abmindert, da genügend Bewegungsfläche und Abstand zu einander eingehalten werden kann. Weiters findet eine stärkere „soziale Kontrolle“ gegen unerwünschte Blickbelästigungen in solch halböffentlichen Räumen statt, als in kleinen intimen Bereichen. Ebenfalls wichtig ist eine klare und schnelle Orientierungsmöglichkeit in Räumen, in denen man sich nackt bewegt.   Auf dieser Grundlage wurde der Grundriss der neuen Sauna nicht als unübersichtliche Landschaft ausgelegt sondern der Logik des Bestandes folgend als klare, geradlinige Struktur (Saunastraße). Da rund um das Grundstück keine höheren Bauwerke vorhanden sind ist es möglich, sämtliche Wände dieser Saunastraße nur bis zu einer Höhe von ca. 2,20m blickdicht zu schließen und den Rest darüber in Glas aufzulösen, sodass der Blick auf die umgebende Bergwelt möglich ist.   Dachgestalt – Sauna Das Dach über der Sauna sollte die verschiedenen Bereiche mit sich verändernden Höhen jeweils so gestalten, dass eine angenehme, ruhige Raumkonfiguration entsteht. Die Dachform selbst sollte keine Geradlinigkeit, sondern die „Sinnlichkeit“ von gebogenen Linien in Anlehnung an Wasser und Berge aufweisen. Da die umgebende Bergwelt von Lienz genau diese sinnlichen Linien aufweist sollten diese selbst den Entwurf des Daches beeinflussen. Das Architekturbüro entwickelte einen exakten Planungsprozess, der nicht den Entwurfswillen der Planer wiederspiegelt sondern diese nur zu Moderatoren des Formfindungsprozesses machte. Um diesen Entwurfsweg auch am Schluss sichtbar zu machen wurde festgelegt, dass von einem Punkt im Raum aus sich das Dach genau mit der Bergkette nach Süden hin vereinigen sollte.  Der gewünschte Effekt, dass sich das Dach mit den Bergen an einem exakten Blickpunkt vereinigt konnte erzielt werden. Dieser Punkt befindet sich inmitten des Ruhebeckens der Sauna. Dies spiegelt den eigentlichen Wellnessgedanken dieses Entwurfes wieder. Nur wenn man sich aller Kleidung (Last des Alltags) entledigt, seinen Standpunkt wechselt (ins Wasser eintritt), sieht man die Vereinigung von Dach und Bergen und kann einen Augenblick der Klarheit und Ruhe erleben.

Hier gehts zum Image Video.

Nachhaltigkeit durch Identität

Gerade in einer Region wie Osttirol, die durch Abwanderung bedroht wird ist die Identifikation mit der eigenen Lebensumgebung sehr wichtig. Die Stadt Lienz prüfte über mehrere Jahre sorgfältig die Vor- und Nachteile eines Neubaus oder einer Sanierung des bestehenden Schwimmbades aus dem Jahre 1975. Abgesehen von der Wirtschaftlichkeit die eine Sanierung darstellte, identifizierten sich Generationen von Lienzern und Lienzerinnen mit dem bestehenden Schwimmbad. In der hellen und freundlichen Schwimmhalle hatten heute Erwachsene selbst schwimmen gelernt bzw. ihren Kindern das Schwimmen beigebracht. Dieses hohe Identifikationspotential des Bestandes wollte man schlussendlich nicht durch einen Neubau zerstören, sondern durch eine Sanierung und Erweiterung beibehalten und verstärken.  Der Kleinkinderbereich wurde mit Zeichnungen von Kindergartenkindern aus Lienz gestaltet. Die Zeichnungen wurden im Rahmen von einem Malwettbewerb in den Kindergärten ausgewählt. Durch genaue Analyse des Zielpublikums wurde festgelegt, dass hier kein „Wellness-Bad“ entstehen soll, sondern wiederum ein eher auf den Schwimmsport ausgerichtetes Hallenbad für die BürgerInnen von Lienz. Seitens der Stadt Lienz wurde eine politische Steuerungsgruppe eingerichtet, der alle Fraktionen des Gemeinderates angehörten und die im breiten Konsens sämtliche Entscheidungen im Planungsprozess getroffen haben. Durch diesen parteiübergreifenden politischen Konsens konnte das Projekt in kürzester Zeit und ohne Kostenüberschreitung umgesetzt werden.

Wirtschaftlichkeit

Das bestehende Schwimmbad aus den 1970er Jahren weist eine exzellente architektonische Qualität auf, als schlichte, schnörkelfreie Sportbadeanlage im Stil der damaligen Zeit. Die Gestaltungsgrundlagen wurden vom städtebaulichen Maßstab bis in die Details konsequent beibehalten. In der gleichen Konsequenz wurde auch die statische Baustruktur errichtet. Bereits in der ursprünglichen Planung war der Gedanke eines möglichen Umbaus vorhanden. Deshalb wurde eine flexible Trägerstützenkonstruktion errichtet, die 40 Jahre nach Fertigstellung einen Um- und Zubau ohne allzu große statische Eingriffe ermöglicht hat. Diese Betontragstruktur, also der Rohbau, musste in wesentlichen Teilen nicht angegriffen werden und stellte somit eine Kostenersparnis von ca. 30 % im Verhältnis zu einem Neubau dar.    

Barrierefreiheit

Durch die Verlegung der Hauptgarderobe in den Keller (ehemalige Sauna) wird im Erdgeschoß Platz gewonnen. Das bringt einen objektiven Zuwachs an nutzbaren und bespielbaren Flächen. Sie werden für eine Optimierung und Neuordnung der inneren Struktur aber auch für gezielte und sorgfältig abgestimmte Erweiterungsmaßnahmen genutzt. Speziell für geheingeschränkte Personen (Rollstuhlfahrer, ältere Personen, Eltern mit Kinderwägen, …) befinden sich im Erdgeschoß weiterhin Garderoben, die einen völlig barrierefreien Zugang zum Schwimmbad ermöglichen. Als Beckeneinstiege wurden barrierefreie Lifte vorgesehen. Auch in den Saunakabinen sind barrierefreie Plätze eingeplant. Besonders für Menschen mit eingeschränkten Seh- und Hörfähigkeiten wurden Leitsysteme eingebaut sowie auch beim Hausalarmierungssystem darauf Rücksicht genommen.

Energie

Ein umfassendes, mit Experten entwickeltes bauliches Maßnahmenbündel senkt sowohl die Energiekosten pro m2 Wasserfläche als auch pro m2 Nutzfläche drastisch. Planungsbegleitend wurde eine dynamische Gebäudesimulation durchgeführt. Trotz deutlich erweitertem Angebot wird das neue Dolomitenbad auch in Summe (!) weit weniger Energie als das alte Bad verbrauchen. Damit werden im Vergleich zu heute beträchtlichen Betriebskosteneinsparungen erzielbar sein – auf lange Sicht gesehen ein enormer Mehrwert und unverzichtbarer Beitrag zu ökologischer Nachhaltigkeit im kommunalen Bereich.  

Angebot für alle Generationen

Die veränderte Architektur bringt Vorteile für die Nutzer. Zum Beispiel deutlich mehr Liegefläche und dadurch eine wesentlich verbesserte Aufenthaltsqualität! Das Sportbecken wird in seiner Dimension beibehalten, das Lehrschwimmbecken vergrößert und zu einem echten Mehrzweckbecken, in dem der Schulschwimmbetrieb und die Gymnastik Platz finden. So haben „schwimmschwache“ Personen (etwa Senioren oder lernende Kinder) ausreichend Platz zum Üben. Diese Entflechtung der Funktion schafft im typischen Betrieb eines kommunalen Bades mehr Platz – für Kleinkinder, Nichtschwimmer, therapeutische Nutzungen, aber auch für Sport, Ausdauerschwimmer und Schulklassen. Der „Alltagswert“ des Dolomitenbades steigt. Die Wasserflächen vergrößern sich deutlich. Das neue Außenbecken mit 17 x 8,5 Metern verschränkt „außen und innen“, das attraktiviert den Badebesuch in der Übergangszeit und verlängert die Saison. Hier entstehen auch neue Liegeplätze und damit eine sehr attraktive Aufenthaltszone.  

Gastronomie

Neue Mitte Das Restaurant wird als eigenständiges Lokal positioniert. Es befindet sich im ersten Obergeschoß und kann, ohne Schwimmbad oder Sauna zu betreten, von externen Gästen jederzeit besucht werden. Über eine Verbindungstür zur Galerie der Schwimmhalle können Gäste in der Badekleidung mit Speisen und Getränken versorgt werden. Die vorgelagerte Terrasse im ersten OG bietet einen einzigartigen Blick auf die Dolomiten und kann auch von Freibadgästen, die nicht den SB-Bereich nutzen wollen, besucht werden. Das Dolomitenbad liegt inmitten des Sportareals der Stadt Lienz. Es befinden sich hier Fußballplätze, Tennisplätze, Skateanlagen sowie das Jugendzentrum. In weiterer Zukunft sollen hier auch noch eine Kletterhalle und möglicherweise ein Eislaufplatz errichtet werden. Durch die Möglichkeit das Restaurant, ohne die Schwimm- und Saunabereiche betreten zu müssen, zu nutzen soll dieses Lokal eine neue „Mitte“ dieses gesamten Areals werden.

Sauna - Funktion

Die attraktive Dolomitenbad-Sauna – ein neuer Wertschöpfungsfaktor, der auch das geplante Restaurant beleben wird. Die neue Sauna wird im ersten Obergeschoß über dem Kabinentrakt errichtet. Sie bietet bis zu 100 Saunaplätze. Schöne Ruhebereiche – eine Lounge und ein Panorama-Raum – schaffen ein behagliches Ambiente mit ganz besonderem Flair. Zusätzlich zu den fünf Saunakabinen gibt es ein großes Ruhebecken (Caldarium). Ein großzügiger, blickgeschützter Freibereich rund um eine Saunakabine im Freien bietet zusätzliche Ruhemöglichkeiten.    Dazu wurde über Vermesserdaten der Berggipfel und einem dreidimensionalen Modell der maßgeblichen Bergketten die Profillinie dieser in den dreidimensionalen Raum des Zeichenprogrammes eingespielt.  Die Profillinie auf der virtuellen Zylinderoberfläche wurde auf die vertikalen Ebenen, welche die Vordachkanten sind, projiziert. Die Projektion erfolgt zentral über den ausgewählten Blickpunkt. Das Ergebnis sind Profillinien in der Ansicht der Vordachkante. Ausgehend von diesem zentralen Blickpunkt und die projizierten Profillinien wurde mit einem geeigneten Computerprogramm die Dachuntersichtsymmetrie errechnet.  Um diese geometrisch höchst komplexe Geometrie maschinell und wirtschaftlich herstellen zu können, wurde diese in Holzlamellen aufgelöst. Jede Holzlamelle weist eine andere Form auf. In der Zusammenschau bilden sie wiederum die Untersicht. Das gesamte Dach wurde ohne Austausch von Papierunterlagen gefertigt und errichtet. Der Datenaustausch erfolgte ausschließlich digital. Das Endergebnis erfüllt die Anforderungen nach einem Dach, welches einzigartige und kontemplative Räume in der Sauna erzeugt. Der in der Sauna ruhende kann jeder einzelnen Lamelle mit seinen Augen folgen und wird immer wieder neue Formen entdecken.  

Außenfassade

Der Bestand wurde in einer Betonbauweise errichtet, welche auch zum Teil die Außenfassade bildete. Der größte Teil der Außenfassade war in Glas aufgelöst. Über eine dynamische Gebäudesimulation wurden die neuen Verglasungen bezüglich ihres Dämmwertes und Sonnenschutzfaktors ausgelegt. Um die restlichen Gebäudeteile wärmedämmen zu können wurde eine vorgehängte Fassade in Baueternit gewählt. Das Material Baueternit entspricht den Eigenschaften von Beton am ehesten und fügt sich auch harmonisch zu den im Hintergrund mächtig stehenden Kalksteinbergen (Lienzer Dolomiten) ein. An der Außenfassade wurde konsequenterweise nur Glas und Baueternit verwendet.